Önologie zwischen Bangkok und dem Rheingau

Önologie zwischen Bangkok und dem Rheingau

Wie Kathrin Puff Kloster Eberbach neu erfand

Wenn man mit Kathrin Puff spricht, merkt man schnell: Diese Frau denkt nicht in Denkmustern, sondern in Möglichkeiten. Sie hat sich nicht dafür entschieden, Winzerin zu werden, weil sie im Rheingau aufgewachsen ist, sondern weil sie ihre Leidenschaft für Wein rund um die Welt geführt hat und nun, nach Jahren in der Ferne, genau weiß, was sie will. Seit 2018 prägt sie als Chefönologin den Stil von Kloster Eberbach, mit beeindruckendem Erfolg. Es wird Zeit, darüber zu berichten.

Ein Leben für den Wein – auf drei Kontinenten

Geboren in Krefeld, war es zunächst eine unerwartete Neigung zum Wein, die sie von der Biertradition des Niederrheins abbrachte. Ein erster Berührungspunkt war ein Praktikum bei der Kupferberg-Kellerei in Mainz und plötzlich war da mehr als nur Neugier: eine Faszination. Puff studierte Weinbau und Önologie an der Hochschule Geisenheim und der Universität Udine in Italien. Als erste europäische Absolventin des Doppeldiploms im Jahr 2004 zeigte sie früh, dass sie lieber Wege eröffnet als ihnen zu folgen.

Statt sich nach dem Studium im deutschen Weinbau zu etablieren, zog es sie in die Ferne: zunächst nach Neuseeland, wo sie gleich zweimal während der Lesezeit mitarbeitete, dann in die Toskana, wo sie beim Traditionsweingut Dievole als Produktionsleiterin tätig war. Den größten Karrieresprung machte sie in Südostasien bei der Siam Winery in Thailand, einer der bedeutendsten Kellereien Asiens. Zehn Jahre lang war sie dort verantwortlich für Weinbau und Kellertechnik mit einem Team von über 100 Mitarbeitenden, internationalen Auszeichnungen und einer neuen Generation thailändischer Weine, die Aufmerksamkeit erregten.

Rückkehr mit Vision

Die Rückkehr nach Deutschland, so sagt sie selbst, war kein Schritt zurück, sondern ein Schritt zu sich selbst. In Kloster Eberbach, einem Ort mit über 850 Jahren Weingeschichte, brachte sie frische Ideen ein, und das mit Feingefühl für die Tradition und einem glasklaren Blick auf Qualität. Ihre Philosophie: Den Charakter jeder Lage bewahren, den Jahrgang sprechen lassen und dabei kompromisslos sauber, präzise und elegant arbeiten.

Schon wenige Jahre nach ihrem Amtsantritt war die Handschrift Puff deutlich sichtbar. 2022 wurde das Weingut beim Deutschen Rotweinpreis von VINUM als „Newcomer des Jahres“ ausgezeichnet. Auch Cabernet Sauvignon, einst eher als Exot im Rheingau belächelt, gelang unter ihrer Leitung mit 91 Punkten der Sprung in die Spitzengruppe.

Leidenschaftlich, klar und neugierig

Puff ist keine Lautsprecherin. Wer ihr zuhört, erkennt aber schnell ihre Stärke: Klarheit in der Sache, Leidenschaft im Ausdruck. Sie achtet nicht auf modische Stilfragen, sondern auf Substanz. Die Lese entscheidet sie oft nicht nach dem Kalender, sondern nach Aroma und pH-Wert. Das Ergebnis sind Weine, die präzise, langlebig und mineralisch geprägt sind und dennoch eine gewisse Leichtigkeit mitbringen. „Die Natur ist komplex genug“, sagt sie, „wir müssen sie nicht überformen, sondern interpretieren.“

Anekdote mit Weitblick

Eine kleine Anekdote aus ihrer Jugend erzählt sie gerne mit einem Augenzwinkern: In der Krefelder Disco war Bier Standard, doch sie, die schon früh mit Wein sympathisierte, brachte ihren eigenen Tropfen mit. Der Anfang einer ungewöhnlichen, aber konsequenten Karriere. Heute ist sie eine der wenigen Frauen an der Spitze eines solch bedeutenden Weinguts, nicht, weil sie Quoten erfüllt, sondern weil sie Maßstäbe setzt.

Familie und Ausgleich

Neben ihrer beruflichen Karriere ist Kathrin Puff auch Mutter von zwei Kindern. Gemeinsam mit ihrem Mann, den sie in Siena kennenlernte und der als Fotograf für die European Press Agency in Frankfurt arbeitet, lebt sie im Rheingau. In ihrer Freizeit ist Puff gerne in der Natur unterwegs, bei Wind und Wetter. Diese Verbundenheit zur Natur spiegelt sich auch in ihrer Arbeit wider.

Fragen an Kathrin Puff:

Frau Puff, Sie haben auf drei Kontinenten Wein gemacht. Was waren Ihre prägenden Erlebnisse außerhalb Europas?

Jeder probiert und interpretiert Wein anders. Es gibt kein richtig und falsch, wenn es nicht nach Plan geht, dann gibt es einen weiteren. Gerade der lange Aufenthalt in einem buddhistisch geprägten Land hat mir gezeigt, dass nichts starr ist, das einzig starre ist unsere Art und Weise wie wir verschiedene Situationen betrachten, ohne daraus zu lernen. Ich lerne jeden Tag neu dazu, höre gerne Kollegen und befreundeten Winzern zu und lasse mich inspirieren und begeistern für neue Wege durch Ihre Erfolge. Durch Austausch und offene Diskussion wächst man selbst und das versuche ich täglich anzuwenden.

Welche Handschrift würden Sie sagen, erkennt man an Ihren Weinen in Kloster Eberbach?

Ich hoffe, dass man in allererster Linie Kloster Eberbach wiedererkennt und die Lagen. Hierzu war es mir wichtig, ältere Jahrgänge der Lagen zu probieren und Parallelen zum Heute zu finden. Gerade Spätburgunder und Riesling sind zwei tolle Rebsorten, die Herkunft widerspiegeln. Durch zu viel „Make-up“ oder „Winemaking“ kann man das natürlich ändern, aber das ist eindeutig nicht, was ich suche und möchte.

Welcher Wein ist Ihr „heimlicher Liebling“ im Keller und warum?

Ich bin ein grosser Baiken Fan. Die Lage fordert uns jedes Jahr auf ein Neues heraus und es macht viel Spaß, die Resultate im Keller zu sehen. Nicht einfach, aber jede Mühe wert. Auch unser Goldener Becher aus dem Steinberg begeistert mich, und das mit seiner mineralischen Straffheit und der brillanten Zitrusfrucht. Beide Lagen machen mich auf ihre Weise glücklich.

Sie arbeiten in einer Region mit bemerkenswert vielen erfolgreichen Winzerinnen …

… ja, ich würde auch sagen, dass es gerade im Rheingau einige sehr erfolgreiche Winzerinnen gibt, die auf TOP Niveau Wein produzieren z.B. Theresa Breuer, Eva Fricke, Julia Seyffardt, Desire Eser, Verena Schöttle und viele mehr. All diese Frauen leiten mit viel Erfolg Weingüter und begeistern Jahr für Jahr Kritiker und Ihre Kunden.

Würden Sie sagen, dass sich der Umgangston in der Weinbranche gegenüber Frauen in Führungspositionen in den letzten Jahren verändert hat?

Ich hatte nie das Gefühl, dass ich als Frau in einer führenden Position in der Weinbranche einen Nachteil hatte, im Gegenteil. Natürlich hat man sich auch mal mir gegenüber unseriös verhalten, das ist aber dann nicht mein Problem, sondern das Problem der Person selbst, die sich eigentlich durch das Verhalten blamiert. Ich spiele mit offenen Karten. Wenn ich auf Fehlverhalten provoziert eingehe, dann hat der andere ja gewonnen, also lass ich es gar nicht erst so weit kommen. Eher lieber nochmal darauf ansprechen in einem ruhigen Zustand, dann klärt sich das meiste.

Was würden Sie jungen Winzerinnen raten, die heute am Anfang einer internationalen Karriere stehen?

Geht Euren Weg und habt Spass dabei. Man muss sich auch mal etwas trauen, den Sprung ins kalte Wasser wagen. Sonst weiss man nicht, was hätte sein können.

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Fotocredit: Kathrin Puff/Kloster Eberbach

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Seit 2000 bin ich mit dem Weinthema und der Weinszene verbunden. Ich agiere als Verleger, publiziere redaktionelle Beiträge und produziere Print- und digitale Weinmedien.