No & Low Alcohol – Der Weg zum hochwertigen Zero
Die Tage des belächelten Traubensafts sind gezählt. Wer auf der diesjährigen ProWein in Düsseldorf durch die stetig wachsende Verkostungszone für alkoholfreie und alkoholreduzierte Weine schlenderte, konnte einen deutlichen Qualitätssprung erkennen. Während in Deutschland bislang vor allem die komplett alkoholfreien Varianten dominierten, scheint sich ein Trend zu wandeln: Immer mehr alkoholreduzierte Weine – im internationalen Jargon als „Low Alcohol“ bezeichnet – finden ihren Weg in die Regale und Weinkarten.
Die Marktforschung bestätigt diesen Eindruck: Unterschiedliche Präferenzen in Europa zeigen sich deutlich – während der Norden und Süden eher zu alkoholreduzierten Produkten greift, setzen Deutschland, Niederlande und Österreich traditionell auf die Null-Prozent-Variante. Doch dies beginnt sich zu ändern, wie zahlreiche Aussteller auf der Messe demonstrierten.
Der Weg zum hochwertigen Zero
Besonders auffällig: Nicht nur der Lebensmitteleinzelhandel, sondern auch namhafte Weingüter setzen vermehrt auf alkoholfreie oder -reduzierte Alternativen. Als Vorreiter mit einem beeindruckend breiten Angebot präsentiert sich das Weingut Bergdolt-Reif & Nett aus Duttweiler in der Pfalz. Winzer Christian Nett empfängt am Stand mit sichtlichem Stolz: „Mittlerweile haben wir zehn Sorten entalkoholisierter Weine im Angebot, viele davon sortenrein. Das macht nun schon 15 Prozent unseres Umsatzes aus.“
Die Arbeit beginne bereits im Weinberg, betont Nett. „Man plant ganz anders, wenn es Zero werden soll. Das Lesegut braucht eine bestimmte Beschaffenheit, und man muss besonders sorgfältig arbeiten. Jeden Fehler schmeckt man in alkoholfreien Weinen sofort heraus.“
Für die Entalkoholisierung arbeitet Nett mit dem „Solos-Verfahren“ der Firma FlavoLogic GmbH zusammen. Claudia Geyer, Spezialistin für Entalkoholisierung und Aromarückgewinnung, gibt Einblick in ihre Arbeit: „Wir beraten die Erzeuger bereits im Weinberg für optimale Ausgangsweine. Entscheidend ist unter anderem der richtige Zeitpunkt der Lese.“ Die Herausforderung liege in der Balance verschiedener Faktoren, erklärt Geyer weiter: „Die Weine sollen erst gar nicht viel Alkohol mit sich bringen, gleichzeitig aber möglichst aromatisch sein. Die Winzer bringen vorab Grundweine als Probe ins Labor, diese werden entalkoholisiert, damit sie einen Eindruck bekommen, ob die Weine später als alkoholfreie Variante funktionieren werden.“
Die Herausforderungen für die Produzenten sind vielfältig: Hohe Anforderungen an Lesegut und Verarbeitung, technisch aufwendige Entalkoholisierung, Verlust von Volumen (rund 20%) und Aromen, die möglichst vollständig zurückgeführt werden sollen. Alkohol ist verantwortlich für Süße und Mundgefühl – sein Ersatz ist Zucker meist in Form von Süßreserven, Traubenkonzentraten, daher liegt der Restzuckergehalt meist zwischen 20 und 40 Gramm.
Weintrinken ohne Reue
Die Verkostung der Bergdolt-Weine überzeugt: Der „Pinot Bianco Reverse“ (0,2% Alkohol) erinnert mit seiner Aromatik an grüne Äpfel und unreife Birnen mit einem leichten Schmelz. Die Sorte Weißburgunder ist klar erkennbar, die Säure harmonisch ausbalanciert. Mit 14 Euro markiert er den Einstieg ins Sortiment.
Beeindruckend präsentiert sich auch der „Merlot Breakaway“ (0,2%) aus dem Holzfass. Seine intensive Farbe und Aromen roter Früchte mit leichten Noten von Schokolade und Vanille lassen ihn nah an einen normalen Rotwein herankommen. Am Gaumen sorgen Tannine für gute Textur und einen harmonischen Gesamteindruck bei nur 20 Gramm Restzucker. „Am besten leicht gekühlt, vielleicht an einem Grillabend“, empfiehlt Nett. Mit rund 22 Euro ist er allerdings auch gehoben im Preis.
Mit sichtlichem Stolz berichtet Nett von einem besonderen Erfolg: „Wir haben es mittlerweile auf die Weinkarte eines Sternerestaurants im Schwarzwald geschafft. Das zeigt, dass alkoholfreie Weine längst nicht mehr nur eine Alternative, sondern ein eigenständiges Qualitätsprodukt sind.“ Er fügt hinzufügt: „Diese Art Weine müssen erklärt werden, und Sommeliers sind dafür ideal. Sie erschließen ihren Gästen eine neue Geschmackswelt.“
Variationsbreite durch unterschiedliche Alkoholgehalte
Einen anderen Ansatz verfolgt das Weingut Oliver Zeter aus Neustadt an der Weinstraße. Bekannt für seinen Sauvignon Blanc, bietet Zeter gleich mehrere Alternativen eines Weines in einer neuen Linie an: „Sauvignon Blanc – No & Low Alcohol“. Die Palette reicht vom „Sauvignon Blanc Zero Hero 0%“ in still und als „Bubbly 0%“ in schäumend bis zum „Sauvignon Blanc Légère“ mit 5% Alkohol, dem wieder um ein schäumendes Pendant zu 3% Alkohol gegenüber gestellt wurde – alles zu alltagstauglichen Preisen bis 11 Euro.
Allen Weinen gemein ist eine leicht mineralische Note, die an Kreide erinnert, was eine gewisse Substanz und Handschrift verleiht. Der „Sauvignon Blanc Zero Hero“ paart sortentypische exotisch-fruchtige mit grünen Noten und einem Touch Limette. Sehr gradlinig und fein, mit moderaten 30 Gramm Restzucker, die in knapp 6 Gramm Säure einen guten Ausgleich finden.
Überraschend: Der sensorisch beste Gesamteindruck bietet der „Sauvignon Blanc Perlage Légère“ mit 3% Alkohol, der Fülle und Nachhall durch die Kohlensäure nochmals intensiviert – bei wenig Alkohol ein perfekter Begleiter durch den Sommer.
Qualität hat ihren Preis
„Mit Restalkohol gibt es kaum Markt, jedenfalls in Deutschland“, erklärt ein Aussteller am Rande. „Entweder trinkt man Alkohol oder keinen, so ist es hier üblich. Oder man trinkt dann eben weniger.“ Ein Besucher fügt hinzu: „Mit einem Glas Wasser in der Bar sitzen, kann aber auch keine Lösung sein.“ Nach seinem Eindruck wachse das Segment an Alternativen.
In der Gastronomie müssen entalkoholisierte Weine aktiv kommuniziert und Nachfrage geschaffen werden. „Sie schmecken in der Regel am Folgetag nicht mehr“, berichtet ein Gastronom. Jedes Restaurant müsse damit rechnen, dass bei Bestellung eines Glases der Rest der Flasche abgeschrieben werden muss. Das mache hochwertiges entalkoholisiertes Angebot teuer, „mit günstigen alkoholfreien Weinen tut man aber auch niemandem einen Gefallen“.
Eines wird auf der ProWein 2025 deutlich: Während die Masse der alkoholfreien Weine weiterhin eher langweilig schmeckt, wird es im oberen Segment langsam interessant. Die Weine erschließen neue Käuferschichten und schaffen Alternativen für bewussten Genuss. Gerade in Deutschland wird auch der Markt für alkoholreduzierte Weine weiter wachsen. Gute Qualität kostet Geld, wie Bergdolt-Reif & Nett zeigt – dass dies dennoch erschwinglich sein kann, macht Oliver Zeter vor. Der Wein ohne oder mit weniger „Promille“ ist gekommen, um zu bleiben.
– – –
Fotocredit: Messe Düsseldorf/ctillmann