Eine Weingeschichte aus der Welt der Worte, Wahrheiten und pikanten Überempfindlichkeiten
Manchmal reicht ein Satz – und ein gewisser Teil der Weinszene kocht. Eine kleine Formulierung, vier Wörter, sorgte für große Aufregung. Nicht wegen ihres Inhalts, sondern wegen der Tatsache, dass sie funktionierte. Diese Weingeschichte erzählt von Deutungshoheiten, digitaler Erregung und einem ganz besonderen Kapitel journalistischer Eifersucht – mit einem Augenzwinkern. Es ist eine Geschichte über Worte, Wirkung und die Kunst, gelassen zu bleiben.
Es war einmal ein Abstrakt*. Ein aus dem thematischen Kontext heraus pointiert abgeleitetes Statement – eingebettet in einen persönlichen Kommentar, bewusst wahrnehmend, verdichtet, auf das Wesentliche konzentriert. Nicht länger als vier Wörter. Basierend auf gründlicher Recherche, sauber formuliert, gut gesetzt – ein kleiner Auftakt mit Nachhall.
Es lautete: „Kein Tropfen ist sicher.“
Ein Statement wie ein Schluck – trocken, aber nicht zu schwer, klar, aber mit Tiefe. Ein Abstrakt, das den Anfang eines klug recherchierten Artikels im Rahmen einer Trilogie markierte, eingebettet in wissenschaftliche Fakten, medizinische Stimmen und verbunden mit dem Versuch, ein emotional aufgeladenes Thema mit Haltung zu erzählen.
Die Weinszene reagierte: Leserinnen und Leser diskutierten. Es wurde geteilt, verlinkt, geliked – ein Volltreffer, wie die Analytik dokumentierte. Doch irgendwo im Schatten des digitalen Weinbergs saß ein Mann, der sich als Grandseigneur der Verkostungsprosa verstand. Ein Mann, der in jeder Formulierung ein Manifest sah. Ein Weinkritiker mit Hang zur semantischen Schärfe, auch wenn sie gelegentlich die sensorische Balance vermissen ließ. Und dieser Mann – nennen wir ihn „Der Deutungsdirektor“ – las dieses Abstrakt.
Er las es einmal. Dann noch einmal. Und dann, so sagt man, hörte man in der „Metropole des Morbiden“ das leise Knirschen einer Selbstwahrnehmung, die ins Wanken geriet.
Denn dieses Abstrakt, dieser Artikel, dieses journalistisch aufgearbeitete, international recherchierte Thema – es war nicht von ihm. Und schlimmer noch: Der Artikel funktionierte. Er wurde gelesen. Er wurde verstanden. Und – unverzeihlich – er wurde zitiert. Ohne ihn.
Noch bitterer aber war wohl die Erkenntnis, dass ausgerechnet VINWORLD, dass ausgerechnet dieser Kollege – und nicht etwa ein etabliertes Printmedium oder gar er selbst als „Der Deutungsdirektor“ – den journalistischen Aufschlag zu einem Thema wagte, das in den einschlägigen Fachpublikationen bislang weitgehend unberührt geblieben war. Eine Trilogie, die fundiert genug ist, um einen Diskurs zu ermöglichen. Eine Basis bildete, die den sachlichen Dialog in der Weinszene anstoßen kann – und offenbar genau dort landet, wo sie wirken soll.
Eine Kampagne musste her. „Der Deutungsdirektor“ schrieb. Er kommentierte. Er dekantierte seine Kritik über mehrere Postings hinweg. Nicht inhaltlich – das wäre zu einfach gewesen. Nein, es ging um „sprachliche Bedeutungstiefe“, um „Wahrheitsebenen“, um „falsche Verkürzungen“. Die Semantik wurde zur Säurestruktur des Protests.
Und das Abstrakt? Das geriet zur Nebensache. Allein die Attacke darauf verfing kläglich, ob der Wiederholungen, ob der fehlenden Sachlichkeit, ob des sprachlich mangelnden Niveaus. „Der Deutungsdirektor“ wechselte daraufhin in den Angriffsmodus, stilisierte die Formulierung zum Beleg redaktioneller Unfähigkeit – verfasst, wie er meinte, in einer Alt-Herren-Schreibstube mit seniler Feder. Ganz nebenbei sprach er dem Autor auch gleich die journalistische Kompetenz ab – pauschal, öffentlich und mit Nachdruck.
„Fetzendeppad!“, rief er – ein Kaiserschmarrn-Kompliment der besonderen Art.
Doch es geschah etwas Unerwartetes: Der Artikel lief. Das Portal wuchs. Der Techniker rief an und fragte, was da los sei. „Ein Abstrakt“, sagte der Herausgeber. „Welches Abstrakt?“ „Vier Wörter. Und ein Mann, der damit nicht leben kann.“
Während „Der Deutungsdirektor“ auf einem eigens eingerichteten Facebook-Kanal um Beifall buhlte, sich im Kreis loyaler „Altverkoster“ rückversicherte und parallel den ursprünglichen Kommentarverlauf löschte – offenbar, um seine zunehmend toxischen Wortmeldungen vor künftiger Verwertbarkeit zu schützen und die entwaffnenden Repliken der Zielperson zum Schweigen zu bringen –, griff er noch zu einer letzten Maßnahme:
Er deaktivierte im neuen Chat gezielt die Kommentarfunktion – ausgerechnet für jene Person, die er beschimpfte, und die ihm mit Sachlichkeit erneut hätte gefährlich werden können. Nur ausgesuchte Kumpane durften hier posten, natürlich pro „Der Deutungsdirektor“.
Ein digitaler Rückzug hinter die Burgmauer – das Visier geschlossen, das Echo kontrolliert. Wen, oder was, wollte er da eigentlich schützen? Sich selbst – oder das Narrativ?
Derweil schrieb sich der Artikel weiter durchs Netz. Er wurde gelesen – mit einem Glas in der Hand, mit einem Lächeln, mit einem leisen Gedanken: Vielleicht ist es manchmal besser, einen gut gesetztes Abstrakt einfach stehen zu lassen – wie einen Wein, der im Dekanter noch Zeit braucht, um sich zu entfalten. Denn wer verstehen will, liest und denkt. Und wer nur urteilt, hat das Denken aufgegeben, bleibt stehen.
So, liebe Leserinnen und Leser: Sie lasen gerade eine Geschichte, verfasst aus redaktionell geschulter Feder mit feinem Sprachgefühl – direkt aus dem digitalen Weinberg. Über Worte. Wirkung. Und den unbezahlbaren Wert von Gelassenheit. Prost!
*Abstrakt: Der Begriff Abstrakt bzw. Abstraktion bezeichnet meist den induktiven Denkprozess des erforderlichen Weglassens von Einzelheiten und des Überführens auf etwas Allgemeineres oder Einfacheres. (Wikipedia)
Zu Ihrer Information und zur thematischen Basis
Mit unserer Trilogie zu „Wein & Gesundheit“ greifen wir ein Thema auf, das die internationale Weinszene zunehmend bewegt – und das bislang in der deutschsprachigen Fachpublizistik überraschend wenig systematisch behandelt wurde. Wir verstehen unsere Artikelreihe daher nicht nur als Debattenbeitrag, sondern auch als Einladung zu mehr inhaltlicher Tiefe, Sachlichkeit und sachlicher Diskursfreude in der Weinberichterstattung.
VINWORLD-Dossier: Trilogie ‚Wein & Gesundheit‘
Diese Artikelreihe beleuchtet den Diskurs rund um Wein, Gesundheit und gesellschaftliche Narrative. Sie versteht sich als Einladung zum Mitdenken – und als journalistisches Statement für Klarheit, Verantwortung und Genusskultur.
1. Wein und Gesundheit: Zwischen Panikmache, Fakten und Genusskultur
– Wie schädlich ist ein Glas Wein wirklich?
– Neue Studien, alte Dogmen und die Rolle politischer Narrative
– eine differenzierte Einordnung.
2. Wein, Wahrheit und Weltanschauung: Wenn Gesundheitspolitik zur Glaubensfrage wird
– Eine Analyse, was hinter alarmistischen Aussagen über Alkohol steckt
– und warum Wein in Social Media zunehmend zum politischen Spielball wird.
3. Null Promille, volles Leben
– Ein Essay über Abstinenzkultur, Lebensfreude
– und die Grenzen ideologischer Gesundheitspolitik.
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