Mit Ludwig Knoll im Stettener Stein
Mitten im Stettener Stein die Frage an Ludwig Knoll: „Was ist die Herausforderung der Zukunft?“ Die Antwort: „Einen Betrieb als Hoforganismus aufbauen, der aus sich heraus, aus eigener Anstrengung existieren kann, sich seinen Dünger, seine Energie, seine Wasserversorgung selbst produziert.“
„Steillagen will kaum noch jemand bewirtschaften. Hier im Stettener Stein bewirtschaften wir mittlerweile 70 Prozent der Rebflächen“, sagt Ludwig Knoll. Vor vier Jahrzehnten habe man klein begonnen und sukzessive dazu gekauft und gepachtet. Heute sei es möglich, die Lage nicht nur landwirtschaftlich, sondern auch ökologisch zu gestalten. „Früher waren in der Weinbauregion zwischen Würzburg und dem Spessart Jahre mit wirklich vollreifen Trauben eher rar, heute verzeichnen wir schon in den meisten Jahren eher hitzige Überreife und immer wieder Wassermangel.“
Die Herausforderungen im Stettener Stein sind groß: Erosion, dünne Humusschichten, fehlende Niederschläge. Knoll begegnet ihnen mit innovativen Konzepten. „Derzeit haben wir erst einen Speichersee gebaut. Eine Energiespeicherung ist noch eine Vision der Zukunft,“ erläutert Knoll. „Aber schon jetzt heizen oder kühlen wir durch Nutzung der im Boden gespeicherten Wärme unsere Lagerhallen.“
Auch Energieautarkie spielt eine Rolle: „Mit Solarpanels auf 2000 Quadratmetern Dachfläche sind wir so gut wie energieneutral. Nur unsere Schlepper brauchen noch fossile Brennstoffe.“ Die Speicherbecken dienen nicht nur der Ressourcensicherung, sondern auch der Biodiversität: „Wir haben sie so angelegt, dass sie ein Habitat für Fauna und Flora werden.“
Biodiversität als Grundlage
Ein zentraler Aspekt ist die Wiederbelebung ökologischer Vielfalt. „Die Schafbeweidung in natürlicher Umgebung hat sich sehr bewährt. In Kombination mit Wildblumenmischungen haben wir deutlich weniger Schädlingsausbreitung, weil natürliche Nützlinge vorhanden sind.“ So entsteht ein vielschichtiges Netzwerk: „Wir müssen Monokulturen durchbrechen, Begrünungen fördern und zum Humusaufbau des Bodens beizutragen. Blühende Kräuter in Gassen und Randbereichen, in die wir ganzjährig nicht eingreifen müssen, schaffen Überwinterungsräume für Insekten.“
Knoll sieht die Weinberge als Lebensräume: „Zauneidechsen oder Smaragdeidechsen ernähren sich von Heuschrecken, Raupen, Asseln, Fliegen oder Blindschleichen. So bildet sich ein umfangreiches Nahrungsnetz, das die Winterfütterung unterstützt.“
Chancen und Verantwortung
Knoll denkt Biodiversität immer auch ökonomisch: „Einerseits gibt es immer mehr Möglichkeiten für Winzer, die Vielfalt zu fördern. Andererseits wächst das Bedürfnis der Konsumenten nach nachhaltigen Produkten. Aber dieser Aufwand muss sich auch im Preis widerspiegeln. Wenn wir Biodiversität wollen, muss die Gesellschaft die ökologische Wirtschaftsweise entsprechend wertschätzen.“
Knoll weist auch auf konkrete Maßnahmen wie Busch- und Waldstreifen: „Fünf bis sechs Prozent der Flächen, im Abstand von 300 Metern, an der Hauptwindrichtung ausgerichtet – damit können wir die Verdunstung im Weinberg um bis zu zehn Prozent reduzieren und Biodiversitätskorridore schaffen. Auch Vögel und Fledermäuse, können so ein schützendes Habiatat finden, profitieren und helfen als Gegenspieler von Schädlingen.“
Der Hoforganismus als Ziel
Knoll arbeitet eng mit Naturland und dem Landesbund für Vogelschutz zusammen und verweist auf aktuelle Leitfäden: „Wir müssen von der Natur lernen, im Rhythmus mit ihr arbeiten und Weinberge als Hoforganismen verstehen. Es geht darum, Kreisläufe zu schließen – Wasser, Energie, Nährstoffe – und zugleich die Vielfalt von Tieren und Pflanzen wieder in die Weinlandschaft zurückzubringen.“
Knoll begreift den Weinberg nicht als isolierte Produktionsfläche, sondern als lebendigen Organismus im Zusammenspiel von Klima, Boden, Tier- und Pflanzenwelt. Seine Arbeit im Stettener Stein zeigt, wie naturnaher Weinbau weit über Begrünung und Ökologie hinausgeht: Es ist der Versuch, geschlossene Kreisläufe zu schaffen und den Hof als eigenständigen Organismus zu etablieren. Damit setzt Knoll nicht nur Maßstäbe im nachhaltigen Weinbau, sondern formuliert auch eine Vision: Wein soll Ausdruck einer Kulturlandschaft sein, die ökologisch widerstandsfähig, ökonomisch tragfähig und gesellschaftlich wertgeschätzt ist.

Der Stettener Stein – Ein natürliches Amphitheater
Wer den Stettener Stein zum ersten Mal betritt, versteht rasch, warum diese Lage in Franken Kultstatus besitzt. Steil und schroff erhebt sich das Rebgelände über dem gemächlich fließenden Main. Experten zählen das Terroir zu den spannendsten der Region. Man kann es als ein Amphitheater der Natur bezeichnen, in dem Handarbeit, Hingabe und Charakter die Hauptrollen spielen.
Die besten Teilbereiche beginnen ab rund achtzig Meter über dem Maintal. Direkt oberhalb der freigelegten Muschelkalkfelsen steigen warme Luftmassen auf, die an den Rebhängen für ein einzigartiges Kleinklima sorgen. „Der sehr skelettreiche, karge Oberboden speichert Wärme und ist schwer zu durchwurzeln“, erklärt Ludwig Knoll. „Das zwingt die Reben, über viele Jahre hinweg tiefe Wurzeln in den karstigen Muschelkalk zu treiben. Daraus resultieren Weine von beeindruckender Mineralität und Eleganz.“
Die Zahlen verdeutlichen die Extreme: 50 bis 75 Prozent Steigung, ein Höhenunterschied von rund 130 Metern, Reben, die auf verwittertem Muschelkalk wurzeln. Nur über lange Zeiträume gelingt es den Pflanzen, tiefer in den steinigen Untergrund vorzudringen und dort wertvolle Mineralien und Nährstoffe aufzunehmen.
Für das Weingut am Stein ist die Lage ein Herzstück: Aus den besten Parzellen entstehen die VDP.GROSSEN GEWÄCHSE. „Der Stettener Stein nimmt für uns eine einzigartige Spitzenposition ein“, sagt Knoll. „Er ist unsere Bühne für Weine, die sowohl die Kraft des Gesteins als auch die Finesse des Klimas ausdrücken.“
So wird die Lage nicht nur zum Produktionsort, sondern zur Dramaturgie: Ein halbkreisförmiger Bergeinschnitt als Kulisse, steile Rebhänge als Ränge, die Thermik als unsichtbarer Dirigent. Und die Weine tragen diese Inszenierung in sich, mit der Klarheit des Muschelkalks, der Eleganz tief wurzelnder Reben und der unverwechselbaren Handschrift des Stettener Stein und Ludwig Knolls.
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Fotocredits: Ludwig Knoll (© Stefan Bausenwein), Stettener Stein (© VDP)