Hitzige Debatte im Glas
Es gibt kaum ein Getränk, das so viele Emotionen und Meinungen hervorruft wie Wein. Und innerhalb der Weinwelt gibt es ein Thema, das fast so polarisierend ist wie die Frage nach der besten Pizza: Naturwein oder Terroirwein? Während der durchschnittliche Genießer vielleicht einfach ein gutes Glas Wein sucht, haben sich in der Welt der Weinliebhaber regelrechte Lager gebildet, die leidenschaftlich darüber streiten, was die wahre Essenz eines Weines ausmacht.
Auf der einen Seite stehen die Fans der Naturweine. Diese Bewegung hat in den letzten Jahren immer mehr an Fahrt aufgenommen. Ihre Anhänger feiern die Ursprünglichkeit eines Weines.
Ein Naturwein „passiert“, wenn man Trauben sich selbst überlässt – vereinfacht gesagt. Im Weinberg wird ohne Pestizide oder chemische Düngemittel gearbeitet und im Keller so wenig wie möglich eingegriffen. Vergoren wird mit wilden Hefen, es gibt kaum Schwefelzusatz, keine Schönung, keine Filtration. Das Ergebnis ist oft ein wilder, trüber Wein, der nach Sommerwiese, Apfelmost oder sogar Käse riecht. Es ist ein Abenteuer im Glas, und genau das lieben die Naturwein-Enthusiasten. Für sie ist ein solcher authentisch und ein direkter Ausdruck von Natur und Leidenschaft.
Das ist natürlich nicht jedermanns Sache. Bei der anderen Fraktion, den Verfechtern der Terroirweine, schüttelt man oft den Kopf über diese wilden Weine, die manchmal auch als „Fehler im Glas“ bezeichnet werden. Hier steht nicht völlige Freiheit von Eingriffen im Fokus, sondern es geht um präzise Darstellung eines Weinbergs, einer Region und einer Tradition. Der Begriff „Terroir“ steht zum einen für die Gesamtheit der Umweltfaktoren, die den Charakter des Weines prägen – Boden, Klima, Lage, zum anderen auch um die Handschrift des Winzers. Terroirweine sind oft klar, strukturiert und elegant. Sie erzählen die Geschichte ihres Ursprungs. Ihre Anhänger lieben diese Präzision und die Verlässlichkeit, die ein Glas Terroirwein mit sich bringt.
Die Unterschiede könnten kaum größer sein. Naturweine sind laut, unberechenbar, voller Überraschungen. Sie haben Fans, die genau das suchen: Individualität und Unperfektheit. Terroirweine gelten oft als sicherer Hafen. Sie sind das Ergebnis von Generationen des Lernens, ein Spiegel der akribischen Arbeit des Winzers. Die einen sind für das Chaos, die anderen für die Ordnung.
Fazit ist der „Streit“ zwischen diesen beiden Welten
Naturwein-Befürworter werfen der klassischen Weinwelt vor, zu stark auf Technik und Konsistenz zu setzen. Für sie wird der Wein durch industrielle Eingriffe entstellt, wodurch die natürlichen Aromen leiden. Terroirwein-Liebhaber argumentieren, dass Naturweine oft unbalanciert sind und das Wort „Fehler“ fast romantisiert wird. Ein Wein, der nach Essig oder nassem Hund riecht, ist für sie keine Kunst, sondern einfach schlecht gemacht.
Und dann gibt es noch den Geschmack. Naturweine bringen oft Noten ins Glas, die man bei klassischen Weinen kaum findet. Joghurt, Heu, oxidierte Früchte – das ist nicht für jeden etwas. Wer die Eleganz und Klarheit eines Burgunders liebt, wird sich vielleicht schwer damit tun, die rauen, oft rustikalen Noten eines Naturweines zu genießen. Umgekehrt empfinden viele Naturwein-Fans die Klarheit eines Terroirweines als langweilig oder gar steril.
Das Zentrum der Diskussion
Es ist also nicht erstaunlich, dass Diskussionen zwischen den beiden Lagern manchmal hitzig werden. Es geht um mehr als das, was im Glas ist – es geht um Werte, Überzeugungen und die Frage, was Wein eigentlich sein sollte. Muss Wein perfekt sein? Darf Wein wild und ungezähmt sein? Soll die Hand des Winzers oder die der Natur zu spüren sein?
Am Ende bleibt festzuhalten, dass jeder Ansatz Stärken und Schwächen hat. Naturweine können faszinieren, wenn sie gut gemacht sind, doch ihre Unberechenbarkeit kann anstrengend sein. Terroirweine bieten oft verlässliche Qualität, für manche fehlt jedoch die Experimentierfreude. Vielleicht sollte man sich nicht für ein Lager entscheiden, sondern offen bleiben. Es gibt schließlich Tage, an denen man Lust auf einen präzisen Riesling hat – und andere, an denen ein wilder Orange Wine das Richtige ist.
Und wer weiß? Vielleicht bringen diese Diskussionen uns nicht nur unterschiedliche Weinstile näher, sondern zeigen auch, wie vielseitig und lebendig die Weinwelt ist. Am Ende des Tages macht genau das Wein aus: Vielfalt im Glas und die Möglichkeit, Neues zu entdecken.
Prost!
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