In vino veritas – aber in moderato sanitas.
Vorab: Es gibt keine dummen Fragen, auch wenn es um Wein geht. Bei einigen Fragen zu Wein und Gesundheit ist es allerdings nicht leicht, adäquate und verständliche Antworten zu finden. Das breite Spektrum der Besorgnis wird in Fragen spürbar, ob ein Wein im Alterungsprozess giftig werden kann oder welche Medikamente sich nicht mit dem Genuss von Wein vertragen.
Drei spezifische Fragen kamen mir immer wieder in Gesprächen zu Ohr und scheinen mir von besonderem Interesse zu sein. Im Folgenden behandle ich diese Themen pointiert und versuche, möglichst allgemein verständliche Antworten zu geben.
Wein und Diabetes
„Können Sie uns Weine mit wenig Zucker für Diabetiker empfehlen?“
Nun, ich kann und möchte keinen Wein namentlich erwähnen, aber sprechen wir über das Wesentliche: Was kann Alkoholgenuss bei Diabetes bewirken?
Laut wissenschaftlichen Studien haben die meisten Tafelweine oder die als trocken bezeichneten Weine wenig bis keinen Restzucker und somit kaum oder auch keine sofortige Wirkung auf den Blutzuckerspiegel. Doch Süßweine oder Dessertweine enthalten Restzucker und sollten von Diabetikern vermieden werden. Für einen Diabetiker ist es darüber hinaus nicht genug, zu wissen, wie viel Zucker der Wein enthält, er muss auch wissen, wie der Alkohol seinen Blutzuckerspiegel beeinflusst. Gerade bei Diabetikern produziert die Leber zusätzlich Zucker. Alkohol reduziert aber diese Menge an Zucker, sodass vorübergehend der Zuckerspiegel sinken kann. Paradoxerweise wäre dies ein Vorteil für Diabetiker.
Nehmen nun Patienten Insulin ein, dann ist besondere Vorsicht bei Alkoholgenuss geboten, da Insulin ebenfalls den Blutzuckerspiegel senkt. Dazu sagt die Wissenschaft: „Die Menge an Alkohol in einem Glas Wein ist ausreichend, um vorübergehend die Leber an der Zuckerproduktion zu hindern, was das Risiko einer unbedingt zu vermeidenden negativen Blutzuckerreaktion (Unterzuckerung) in Kombination mit der Insulintherapie erhöht.“ Der Genuss von übermäßig viel Alkohol kann auch die Fähigkeit eines Menschen beeinträchtigen, die Symptome von niedrigem Blutzucker zu erkennen. Also seien Sie wachsam im Umgang mit Alkohol und behalten Sie Ihren Blutzuckerspiegel im Auge.
Wein mag wohltuend wirken, sollte aber stets in Maßen konsumiert werden. Ich möchte Diabetiker nicht entmutigen, ein Glas Wein zu genießen, besonders wäre hier Rotwein wegen seiner pflanzlichen Inhaltsstoffe zu empfehlen, doch bleiben Sie auf jeden Fall verantwortungsvoll gegenüber Ihrem Körper. Sprechen Sie darüber mit Ihrem Arzt, wenn Alkohol zu Ihrem Genussbereich gehören soll. Längst ist die Ärzteschaft vom generellen Alkoholverbot für Diabetiker abgerückt, und es gibt auch für Diabetiker Wege, ab und an Wein gefahrlos zu genießen.
Alkohol und ADH
„Vertrage ich Alkoholika besser, wenn ich vor dem Genuss fette Speisen zu mir nehme?“
Wir alle wissen: Es gehört zu den „Jugendsünden“, Alkohol auf nüchternen Magen zu trinken. Und (fast) jeder weiß, dass dadurch die Wirkung des Alkohols zumindest beschleunigt wird. Bei der Beantwortung dieser Frage bediene ich mich erneut der Wissenschaft, die konstatiert: „Wie der Mensch Alkohol verstoffwechselt, hängt mit einer bestimmten Gruppe von Enzymen zusammen – es sind die Alkohol-Dehydrogenasen – ADH genannt.“
Diese Enzyme bauen Alkohol in seine Bestandteile ab, die der Körper teilweise ausscheidet. Der intensivste Abbau findet in der Leber statt, etwa 15 Prozent werden vorab durch die Magenschleimhaut abgebaut. Das bringt der Leber zwar eine kleine Entlastung, aber nur dann, wenn Sie es zulassen, also wenn der Magen mit der Verdauung von Speisen beschäftigt ist. Ist der Magen leer, wird der Alkohol zum Darm „durchgewinkt“, der diesen recht schnell in den Blutkreislauf weiterleitet. Ist jedoch Nahrung im Magen vorhanden, wird die Entleerung durch die Verdauung verlangsamt, was wiederum den Enzymen Zeit gibt, ihre Arbeit zu verrichten.
Hieraus folgt, dass Lebensmittel, die längere Zeit verdaut werden müssen, auch den Abbau von Alkohol unterstützen. Schwerer zu verdauende Speisen sind nicht zu empfehlen, denn sie belasten den Körper und wirken sich auf das Gewicht aus – meist in negativer Art.
Wie stets beim Konsum von Alkohol sollten Sie maßvoll sein. Stellen Sie den Genuss in den Vordergrund und hören Sie auf Ihren Körper. Dann können Sie eine „Freundschaft“ pflegen – und ein oder zwei Gläser Wein werden Ihrer persönlichen Gemeinschaft aus Körper und Seele wohl gefallen.
Wein und Hautrötungen
„Wenn ich Wein trinke, errötet oftmals mein Hals oder Gesicht. Woran liegt das?“
Eine Gesichtsröte nach dem Weingenuss hat meist den Hintergrund einer „Alkohol-Flush-Reaktion“, die besonders häufig bei Menschen mit einer genetisch bedingten Enzymstörung auftritt. Betroffene verfügen über eine geringere Menge des Enzyms Aldehyd-Dehydrogenase 2 (ALDH2), das für den Abbau von Acetaldehyd zuständig ist – einem Zwischenprodukt des Alkoholabbaus. Wird dieser nicht effizient abgebaut, sammeln sich toxische Mengen an, die die Blutgefäße erweitern und zu einer spürbaren Gesichtsrötung führen können.
Neben der Rötung kann dies auch mit unangenehmen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Benommenheit einhergehen. Diese genetische Disposition ist besonders häufig bei Menschen ostasiatischer Abstammung zu finden (deshalb auch als „Asian Flush“ bekannt), tritt aber auch bei einem Teil der europäischen Bevölkerung auf.
Ein weiterer Faktor kann eine Rosacea, eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung, sein. Alkohol, insbesondere Rotwein, kann hier als Trigger fungieren, indem er die bereits empfindlichen Kapillargefäße erweitert und zu verstärkter Gesichtsrötung führt. Menschen mit Rosacea sollten ihren Alkoholkonsum entsprechend anpassen und im Zweifel einen Dermatologen konsultieren.
Zusätzlich können Sulfite, die zur Konservierung von Wein eingesetzt werden, bei empfindlichen Personen Hautrötungen oder allergieähnliche Reaktionen auslösen. Während Sulfite in fast allen Weinen (auch in Bioweinen) enthalten sind, reagieren nur sehr wenige Menschen tatsächlich allergisch darauf. Wer auf Sulfite empfindlich reagiert, kann auf sulfitarme oder schwefelfreie Weine ausweichen.
Fazit: Wein, Gesundheit und bewusster Genuss
Wein ist mehr als ein Genussmittel – er ist Teil vieler Kulturen, begleitet gesellige Momente und wird seit Jahrhunderten mit möglichen gesundheitlichen Vorzügen in Verbindung gebracht. Dennoch sollte man sich bewusst machen, dass die Wirkung von Wein auf den Körper stark von individuellen Faktoren abhängt.
• Für Diabetiker kann der mäßige Konsum von trockenem Wein eine Möglichkeit sein, ohne größere Risiken zu genießen – aber immer in Absprache mit dem Arzt.
• Die Aufnahme und Verträglichkeit von Alkohol kann durch eine Mahlzeit verlangsamt werden, wobei besonders leicht verdauliche Speisen die beste Wahl sind.
• Hautreaktionen auf Wein können durch genetische Faktoren, Rosacea oder Sulfite ausgelöst werden – wer betroffen ist, sollte bewusst auf Alternativen achten.
Während die Wissenschaft sich weiterhin mit den Auswirkungen von Wein auf die Gesundheit befasst, bleibt eine goldene Regel bestehen: Genuss in Maßen und mit Bewusstsein ist der beste Weg, um das Beste aus Wein und Gesundheit zu vereinen. Oder um es mit den alten Römern zu sagen: „In vino veritas – aber in moderato sanitas.“
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