Ein Mekka für Weinreisende – Vom maurischen Erbe zum Weinmythos
Vom 8. bis ins 15. Jahrhundert prägten die Mauren das südliche Andalusien – mit ihren Bauwerken, ihrem Wissen und ihren Traditionen. Die Spuren dieser Epoche sind bis heute lebendig: im Alcázar von Sevilla, der Mezquita-Catedral von Córdoba oder der Alhambra in Granada. Auch der Name „Sherry“ wurzelt in dieser Zeit. Die Mauren nannten den heutigen Ort Jerez de la Frontera Sherish – abgeleitet vom phönizischen cera und dem lateinischen ceret. Aus diesem klangvollen Namen entstand eines der edelsten Weinerzeugnisse der Welt: der Sherry.
Wein, der Reisen lohnt
Es sind längst nicht mehr nur Kulturreisende, die Andalusien besuchen. Die Region rund um Jerez zieht auch Jahr für Jahr tausende Weinliebhaber und Genussmenschen an. Sie alle folgen der Route Marco de Jerez, einer der faszinierendsten Weintourismus-Routen Europas. Zwischen Jerez de la Frontera, Sanlúcar de Barrameda und El Puerto de Santa María entfaltet sich eine Landschaft, in der sich Geschichte, Architektur und Weinkultur auf einzigartige Weise verbinden.
César Saldaña, Präsident der Asociación de la Ruta del Vino y del Brandy de Jerez, bringt es auf den Punkt:
„Die Route Marco de Jerez bietet neben der außergewöhnlichen Qualität unserer Weine und der Schönheit unserer Weingüter eine ganze Reihe von gastronomischen, kulturellen und festlichen Attraktionen, die es uns ermöglichen, den Besuchern einzigartige und äußerst vielfältige Erlebnisse zu garantieren.“
Dass dieser Landstrich als beliebteste Weintourismus-Region Spaniens gilt, überrascht kaum: Bereits 2018 belegte sie den ersten Platz im nationalen Ranking. Im Folgejahr stieg die Besucherzahl auf rund 600.000, Tendenz weiter steigend.
Bodegas – wo Sherry zum Kulturgut wird
Zu den größten Attraktionen gehören die Bodegas – mal monumental wie gotische Kathedralen, mal verborgen in engen Altstadtgassen mit maurisch inspirierten Fassaden. Allen gemeinsam ist ihr Zauber: Sie vereinen Handwerk und Architektur, Geschichte und Genuss.
In diesen Bodegas lebt die Tradition weiter: Der Sherry wird noch immer nach dem Solera-System ausgebaut – ein dynamisches Reifungsverfahren, das es nur hier gibt. Dabei durchläuft der Wein mehrere Fassreihen (Criaderas), wobei jüngere Jahrgänge nach und nach mit älteren vermählt werden. Das Ergebnis: ein harmonischer, tiefgründiger Sherry mit erstaunlicher Komplexität. Manche Tropfen reifen 20, 30 Jahre – in stillen, dunklen Kellergewölben, die ehrfürchtig „Sacristías“ genannt werden.
D.O. Jerez – geschützte Herkunft mit großer Geschichte
Die Weinbautradition in Jerez reicht über 3.000 Jahre zurück – bis zu den Phöniziern, die bereits um 1.100 v. Chr. erste Rebstöcke pflanzten. Selbst unter maurischer Herrschaft wurde der Weinbau, trotz des Alkoholverbots im Islam, nie ganz aufgegeben. Nach der Rückeroberung durch Alfons X. im Jahr 1264 florierte der Weinhandel. Bereits im 15. Jahrhundert exportierte man die Weine von Jerez nach England, Flandern und Frankreich.
Im Jahr 1483 erließ das Rathaus von Jerez eine erste Weinverordnung – ein bahnbrechendes Dokument, das Regeln für Ernte, Fassbau, Reifung und Handel definierte. Die älteste gesetzliche Grundlage der modernen Sherry-Produktion wurde 1933 geschaffen, mit der Anerkennung der Denominación de Origen (D.O.) Jerez-Xérès-Sherry. Zwei Jahre später folgte die Gründung des ersten offiziellen Kontrollrates (Consejo Regulador) Spaniens.
Die heute gültige gesetzliche Basis stammt aus dem Jahr 1977, wurde in den 1980er Jahren erweitert und bildet die Grundlage für das seit 2003 geltende Weingesetz. Unter dem Dach der D.O. Jerez-Xérès-Sherry und der D.O. Manzanilla de Sanlúcar de Barrameda sind ausschließlich Weine zugelassen, die innerhalb des traditionellen „Sherry-Dreiecks“ ausgebaut und gereift wurden – also in Jerez de la Frontera, Sanlúcar de Barrameda und El Puerto de Santa María.
Was kommt als Nächstes?
Wie genau Sherry entsteht, warum das Solera-System eine der raffiniertesten Reifemethoden der Welt ist, und welche Bodegas man unbedingt besuchen sollte – das verrate ich in den nächsten beiden Teilen unserer Trilogie:
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„Caramba, Caracho, Sherry, olé!“ und
• „Kathedralen des Criadera- und Solera-Systems“.
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