Geburt, Jugend und Reife eines einzigartigen Weins
Zwei Wege zum Sherry: biologisch oder oxidativ
Die beeindruckende Vielfalt des Sherry entsteht nicht durch Rebsorten, sondern durch den Ausbau. In der Marco de Jerez werden zwei grundlegend verschiedene Methoden praktiziert: der oxidative Ausbau und der biologische Ausbau.
Beim oxidativen Ausbau lagert der Wein über Jahre hinweg in Eichenfässern, teils offenem Sauerstoffkontakt ausgesetzt. Dabei reift er physikalisch-chemisch, wird dunkler, konzentrierter, komplexer – ohne dass er mit anderen Weinen verschnitten wird.
Beim biologischen Ausbau hingegen schützt eine natürliche Hefeschicht – die berühmte Flor – den Wein vor Oxidation. Diese autochthone Hefe schwimmt auf der Weinoberfläche und sorgt für eine völlig andere Stilistik: hell, leicht, salzig-nussig. Während sie Glycerin, Säuren und Alkohol metabolisiert, prägt sie das sensorische Profil tiefgreifend. Sherrys wie Fino oder Manzanilla verdanken ihr ihre frische, trockene Eleganz.
Die Vorschriften der D.O. Jerez schreiben einen Mindestausbau von zwei Jahren vor – in der Praxis reifen Sherrys aber meist deutlich länger, um ihre charakteristischen Noten voll auszubilden.
Die Fässer – mehr als bloße Behälter
Die Geschichte des Sherry-Fasses ist so alt wie der Wein selbst. In der Antike kamen Amphoren und Tonkrüge zum Einsatz. Seit dem 15. Jahrhundert setzte man zunehmend auf Holz – aus praktischen und qualitativen Gründen. Mit der Entdeckung Amerikas fand amerikanische Weißeiche Eingang in die Sherryproduktion – und ist bis heute Standard, da sie das ideale Porenbild für die Reifung bietet.
Für den biologischen Ausbau wird das Fass nie ganz gefüllt – etwa zwei Handbreit Luft müssen für die Flor-Hefe verbleiben. Während des Reifens „atmet“ das Fass: Sauerstoff dringt ein, Wasser verdunstet. Etwa drei Prozent des Inhalts gehen jährlich verloren – der sogenannte „Engelsanteil“. Gleichzeitig konzentrieren sich Extrakt und Aromen – ein wesentlicher Beitrag zum Sherry-Charakter.
Das Criadera- und Solera-System – das Herz des Sherry
Einzigartig auf der Welt ist das dynamische Reifungssystem des Sherry: das Criadera- und Solera-System. Dabei handelt es sich nicht um klassische Jahrgangsweine, sondern um eine kontinuierliche Vermählung verschiedener Altersstufen – ein lebendiges System.
Die Weine reifen in übereinandergestapelten Fassreihen:
- Oben lagert der jüngste Wein in der obersten Criadera,
- darunter folgen ältere Jahrgänge,
- ganz unten liegt die Solera – der trinkreife, älteste Wein.
Will man Sherry abfüllen (Saca), entnimmt man einen Teil aus der Solera. Diese Menge wird aus der nächstjüngeren Criadera ersetzt, und so weiter – eine Kaskade der Auffrischung. Dieses Verfahren nennt man Rocío (Auffüllung), der gesamte Ablauf heißt Correr Escalas (Etagenlauf).
Das Ziel: eine gleichbleibende Stilistik bei gleichzeitig hoher Reife. Kein Jahrgang, sondern ein ewiger Fluss aus Zeit und Handwerk.
Nur speziell geschulte Mitarbeiter – die Trasegadores – dürfen diese Arbeit verrichten. Sie bewegen die Weine mit großer Sorgfalt, um die empfindliche Flor-Hefe nicht zu stören oder Ablagerungen aufzuwirbeln. Gleichzeitig versorgt das Umfüllen die Hefe mit frischem Sauerstoff, was sie wieder aktiviert und schützt.
Sherry reif fürs Glas
Am Ende der Reife wird der Sherry geklärt und gefiltert – eine behutsame Reinigung, bevor er in Flaschen gefüllt wird. Jahrgangsangaben sucht man meist vergeblich, denn durch das Solera-System enthält jede Flasche Anteile aus vielen Jahrgängen. Wenn doch ein Datum auf dem Etikett steht, bezieht es sich auf das Gründungsjahr der Solera – also auf den ältesten Bestandteil, der noch in jeder Abfüllung enthalten ist.
Die meisten Sherrys sind trocken, doch für Märkte mit Vorliebe für liebliche Varianten wird oft süßer Most (z. B. aus Pedro Ximénez oder Moscatel) am Ende der Reife hinzugefügt. So entstehen stilistisch vielfältige Weine, von Fino über Amontillado bis hin zum tiefdunklen, sirupartigen PX.
„Arriba, abajo, al centro, adentro“ – Salud y chinchín!
Und? Lust auf mehr?
Falls Sie nun Lust bekommen haben, den Sherry vor Ort zu erleben, empfehle ich Ihnen im nächsten Teil eine Auswahl besonderer Bodegas entlang der Route Marco de Jerez – mit Verkostungen, Führungen und kulinarischen Erlebnissen. Der Titel lautet:
=> „Kathedralen des Criadera- und Solera-Systems“ – Teil 3 der Sherry-Trilogie
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