Der Fränkische Satz als Spiegel eines lebendigen Weinerbes – Eine spannende Verkostung
Im Schatten der großen Leitrebsorten Frankens – Silvaner, Riesling, Spätburgunder – schlummert ein faszinierender Schatz, der erst seit wenigen Jahren langsam wieder ans Licht geholt wird: die historische Rebsortenvielfalt des „Fränkischen Satzes“. Was heute für viele Weinfreunde wie eine Spezialität aus Wien oder dem Burgenland klingt, war einst auch in Franken die Norm und keineswegs die Ausnahme. Der gemischte Satz, eine gemeinschaftliche Pflanzung und Lese verschiedenster Rebsorten innerhalb eines Weinbergs, stellte über Jahrhunderte hinweg das Rückgrat des fränkischen Weinbaus dar.
Der „Alte Fränkische Satz“ – genetische Diversität in Rebenform
Im sogenannten „Alten Fränkischen Satz“ fanden sich oft mehr als ein Dutzend Sorten in einem einzigen Weinberg: Weißer Heunisch, Grüner und Gelber Silvaner, Weißer Lagler, Adelfränkisch, Hartblau, Grünfränkisch, Fränkischer Burgunder – Namen, die heute selbst in Fachkreisen nur noch selten fallen. Dabei war diese Form der Mischpflanzung keineswegs willkürlich, sondern folgte einer tiefen agronomischen und önologischen Logik: Unterschiedliche Reifezeitpunkte, unterschiedliche Widerstandsfähigkeiten gegen Wetterkapriolen, unterschiedliche Aromenspektren und physiologische Reifeparameter sollten gemeinsam für einen harmonischen, stabilen und lagerfähigen Wein sorgen, und das ganz im Sinne einer natürlichen Resilienz und geschmacklichen Komplexität.
Dieser Satz wurde gemeinsam gelesen, gemeinsam gepresst, gemeinsam vergoren – ein historisches „Terroir-Cuvée“, das weniger von sortenreiner Technik als von Erfahrungswissen und mikroklimatischer Intuition getragen war.
Vom Verlust zur Wiederentdeckung
Mit der Modernisierung des Weinbaus, dem Aufkommen sortenreiner Pflanzungen, präziser Lagenklassifikation und dem Druck der Marktlogik, verschwand der Fränkische Satz fast vollständig. Viele der beteiligten Rebsorten galten als „nicht marktfähig“, „zu wenig ertragssicher“ oder schlicht als „verloren gegangen“. Doch seit den 2000er-Jahren regt sich eine Gegenbewegung: engagierte Winzer, wissenschaftliche Projekte (u. a. an der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau Veitshöchheim) und das wachsende Interesse an Biodiversität, Bodenvielfalt und Klimaanpassung haben dem „Alten Satz“ eine neue Aktualität verliehen.
Der moderne Fränkische Satz ist auch ein PIWI-Projekt
Heute erlebt der Satz eine Renaissance, und das mit zwei Gesichtern: Traditionsprojekte, die auf historische Rebsorten zurückgreifen (z. B. Schloss Sommerhausen, Bürgerspital, Weingut am Stein), sowie PIWI-Neuanlagen, die das Prinzip des gemischten Satzes mit pilzwiderstandsfähigen Sorten weiterdenken. Diese neuen Sätze bestehen aus Sorten wie Calardis Blanc, Souvignier Gris, Cabertin, Johanniter oder Muscaris – meist gepflanzt als „Rebenmosaik“, verschnitten als „PIWI-Satz“ oder einzeln vinifiziert zur sensorischen Evaluierung.
Josef Engelhart, der Satz-Flüsterer
Eine gemeinsame Verkostung mit meinem Kollegen Rudolf Knoll unter Führung von Josef Engelhart* vom Institut für Weinbau und Oenologie der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim war eine seltene Gelegenheit und hoch spannend.
*Josef Engelhart ist Weinbautechniker bei der LWG, tätig im Bereich Sortenvielfalt, PIWI-Entwicklung und historischen Satzweinbau.
Nach seiner Winzerlehre und Technikerschulausbildung war er über 15 Jahre als Züchtungstechniker am renommierten Julius-Kühn-Institut tätig, bevor er 2001 zur LWG wechselte. Sein Spezialgebiet ist die Ampelographie, d. h. die Bestimmung, Bewertung und Selektion von Rebsorten, insbesondere historischer und pilzwiderstandsfähiger Reben.
Josef Engelhart setzt auf Tradition mit System: Er verbindet historische Rebsortenvielfalt mit modernen Anforderungen wie Resilienz, Nachhaltigkeit und Klimaresistenz. Seine Arbeit zielt darauf ab, das „genetische Reservoir“ alter Reben für den zukunftsfähigen Weinbau zu nutzen. Gleichzeitig sieht er in der sensorischen Vielfalt von PIWI-Sätzen eine Chance für neue, spannende Weinstile.
Auf die Frage „Welche Reben brauchen wir für die Zukunft?“ antwortet Josef Engelhart: „Wir brauchen Reben, die mit Trockenstress und Wassermangel umgehen können und eine sichere Aromatik unter heißen Bedingungen gewährleisten.“ Er ergänzt: „Die Rebe ist ein Sonnenkind, sie liebt den Berg und hasst den Wind.“ Dies spiegelt seine lehrende Basis: Ökologie, Klimaanpassung und Terroirbewusstsein .
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Meine Notizen dieser außergewöhnlichen und spannenden Verkostung:
2023 Weißer Heunisch
… Glas: strohgelb.
… Nase: zurückhaltend, Heu, Nuss, (Hefe?)
… Gaumen: frisch, straff, säurestark, mineralisch, schlank
2023 Weißer Lagler
… Glas: kräftiges Strohgelb.
… Nase: Apfel, Mandarine, Kräuter
… Gaumen: weich, rund, mittlere Säure, fein-cremig, dezent aromatisch
2024 Grüner Silvaner
… Glas: helles Gelb, grüne Reflexe
… Nase: feine Kräuternote, leicht nussig
… Gaumen: mineralisch, leicht salzig, zarte Säure
2024 Gelber Silvaner
… Glas: Gelbgold.
… Nase: Reife Birne, Quitte, Kräuter
… Gaumen: stoffig, geschmeidig, feiner Grip
2023 Grünfränkisch
… Glas: helles gelb mit grünen Reflexen.
… Nase: Apfel, Birne, Zitrus.
… Gaumen: Frisch, geradlinig, feine Säure, leicht salzig.
2023 Adelfränkisch
… Glas: Bernstein.
… Nase: Quitte, Muskat, rauchig
… Gaumen: kräftig, extraktreich, tiefgründig, feiner Hauch von Restsüße
2023 Alter Fränkischer Satz
… Aus der Erinnerung, weil noch von der angeregten Diskussion um den Adelfränkisch (berauscht), eine Sorte die durchaus für Große Gewächse stehen kann, hatte ich vergessen, zu notieren. Also, Alter Fränkischer Satz: insgesamt zurückhaltend, säurebetont, komplex
2024 Fränkischer Satz (PIWI)
… Glas: helles Goldgelb, leicht trüb
… Nase: Kombi aus Zitrus, Kräuter, Apfel, Muskat
… Gaumen: frisch, saftig, würzig
2022 Fränkischer Burgunder
… Glas: Rubinrot, rosa Reflexen
… Nase: Kirsche, Kräuter, leicht nussig
… Gaumen: streng, herbe Frucht, mittlere Säure
2020 Hartblau
… Glas: dunkles Violett
… Nase: Holunder, Olive, Rauch
… Gaumen: gerbstoffreich, kräftig, kühle Frische
Aurum (balsamischer Süßwein)
… Glas: sattes Goldgelb, Bernstein
… Nase: Aprikose, Honig, Orange, Mandel
… Gaumen: konzentriert, frische Säure, sehr feines Süß-Säure-Spiel, samtig, elegant im Finale
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Fotokredit: Arthur Wirtzfeld