Liliac, die vinophile Fledermaus
Sein Gehalt: stolze 14,5 Volumenprozent. Sein Status: Private Selection. Sein Eindruck: stark, nachhaltig, besonders!
RUMÄNIEN (Batos) – Aus Transsilvanien, dem mystischen Land der „Siebenbürgener Sachsen“, das schon immer Geschichten von Tradition und Wandel erzählt hat, stammt dieser außergewöhnliche Rote. Ein Wein, der mich nicht nur beeindruckt hat, sondern dessen Charakter es wert ist, erzählt zu werden. Schon seine dunkle Farbe im Glas ist auffällig anders. In der Nase pflaumige Noten, Tabak und Sandelholz. Am Gaumen samtig, wuchtig, untermalt von zarten Tanninen, mit pfeffriger Länge. Und doch ist er nicht laut, sondern zeigt eine feine Eleganz – geboren in rauer Natur, mit markantem Echo. Was erstaunt: Er ist ein Pinot Noir, aber einer mit starkem Charakter, kaum zu vergleichen mit seinen klassischen Vertretern aus Burgund. Sein Name: wie das Weingut, das eher einer Boutique-Winery gleicht, Liliac (rumänisch: Fledermaus). Sein Gehalt: stolze 14,5 Volumenprozent. Sein Status: Private Selection. Sein Eindruck: stark, nachhaltig, besonders!
Die Geschichte einer Vision
Anfang der 2010er-Jahre begab sich der Wiener Architekt und Immobilienmakler Alfred Michael Beck auf ein Abenteuer in Rumänien. Mitten in einer wilden Landschaft, im Schutz des Karpatenbogens, gründete er ein Weingut. Ursprünglich war seine Idee, preiswerte Weine für den Export zu produzieren – ein Ansatz, der in der Region wohl kaum erfolgreich gewesen wäre. Hier, im menschenleeren Norden Rumäniens, wo seit Jahrhunderten Weinbau betrieben wird, schlummerten Potenziale, die Beck anfangs nicht erkannte.
Der Wendepunkt kam, als Miron Radic, ein bosnischer Serbe, aufgewachsen in Österreich, ins Spiel kam. Ein Mann mit einem feinen Gespür für Wein und einem ausgeprägten Sinn für Märkte – er war nicht nur ein analytischer Kopf, sondern auch jemand, der mit Leidenschaft nach Möglichkeiten suchte, Bestehendes zu hinterfragen und Neues zu wagen. Radic schrieb seine Bachelorarbeit über Weinmarketing und nahm dabei Liliac unter die Lupe. Er erkannte schnell: Rumänien war bereits ein Eldorado für Billigwein. Zahlreiche Investoren hatten Rebflächen gekauft, ohne eine klare Strategie oder den nötigen Sachverstand. Der Markt wurde von großen Kellereien und Genossenschaften dominiert, die wenig Interesse an hochwertigem Wein hatten.
Radic überzeugte Beck, einen anderen Weg einzuschlagen: Statt Billigwein zu produzieren, sollte Liliac für Qualität und Eigenständigkeit stehen. Weine, die frisch, trocken und modern sind, passend zu einem jungen, anspruchsvollen Publikum. Beck erkannte die Chance – und bot Radic kurzerhand die Position als Geschäftsführer an. Radic nahm an und setzte die neue Vision von Liliac ab 2016 in die Tat um.
Der rasante Aufstieg von Liliac
Heute gehört Liliac zu den spannendsten Weingütern Rumäniens. Mit seinen gut 50 Hektar ist es eine Boutique-Winery, die sich auf besondere Weine konzentriert. Der Fokus liegt auf weißen autochthonen Rebsorten wie Fetească Albă und Fetească Regală, die mit reiner Frucht und frischer Eleganz punkten. Traditionell dominiert in dieser Region der Weißwein, was seinen Ursprung in der Besiedlung durch Moselaner zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert hat. Diese brachten ihr Weinwissen mit nach Siebenbürgen.
Doch Liliac wagt sich auch an Rotweine. Einheimische Winzer raten meist von roten Rebsorten ab, doch das spornte Radic nur noch mehr an. Er pflanzte Fetească Neagră, Merlot und Pinot Noir – und bewies, dass Rotweine aus Transsilvanien internationales Niveau erreichen können. Heute ist die „Red Cuvée“, eine Mischung aus Fetească Neagră und 30 % Merlot, der erfolgreichste Rote des Weinguts. Ebenso bemerkenswert ist der reinsortige Merlot von Liliac, der bereits 2015 als „Bester Rotwein Rumäniens“ ausgezeichnet wurde.
Seine Qualität und Individualität machen ihn zu einer Seltenheit – was sich auch im Preis widerspiegelt: Die „Private Selection“ kostet rund 40 Euro und gehört damit zu den teuersten Rotweinen Rumäniens. Und doch findet er seine Liebhaber – jene, die nicht nur auf den Preis, sondern auf das Erlebnis im Glas achten.
Inzwischen haben Beck und Radic ihre Zielgruppe fest im Blick. Die Weine von Liliac sind in Rumänien gefragt, rund zwei Drittel bleiben im Land, der Rest wird exportiert. Der Erfolg basiert auf einer Kombination aus Qualität und geschicktem Marketing. Internationale Rebsorten wie Merlot, Grauburgunder, Chardonnay, Sauvignon Blanc und Pinot Noir erfreuen sich bei jungen rumänischen Konsumenten großer Beliebtheit. Viele sehen in autochthonen Sorten ein Relikt der Vergangenheit – dabei sind es gerade diese, die im Ausland auf wachsende Neugier stoßen.
Geschafft!
Und so haben Alfred Michael Beck und Miron Radic in wenigen Jahren eine beachtliche Erfolgsgeschichte geschrieben. 2012 füllte Liliac noch bescheidene 12.000 Flaschen, heute sind es über 400.000. Rebflächen wurden gepachtet, Zulieferer-Winzer auf Qualitätsstandards eingeschworen. Die Nachfrage im eigenen Land ist enorm, der Druck, ausreichend Wein zu liefern, ebenso.
Vielleicht ist genau das das Faszinierende an Liliac: Ein Weingut, das aus einer spontanen Idee heraus geboren wurde und sich in wenigen Jahren als Fixstern am rumänischen Weinhimmel etabliert hat. Wer weiß, welche Überraschungen Beck und Radic noch aus dem Ärmel zaubern?
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Fotocredit: © Arthur Wirtzfeld